Liebe Leser,
schon in den vergangenen Wochen schrieb ich an dieser Stelle über die Ölindustrie – gelegentlich. Nun scheint die nächste Corona-Welle die Konjunktur zumindest einzudämmen. Niemand kann dies derzeit abschätzen, zumal auch die Geschwindigkeit und die Wirksamkeit der Impfungen gegen das Corona-Virus derzeit für uns alle noch nicht einschätzbar sind.
Gute Nachrichten – oder schlechte?
Zudem lese ich allerorten vom großen Umbau des Energie-Sektors. Die Energie-Branche richtet sich derzeit darauf ein, dass zum einen die Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie einen lukrativen Ausbruch schaffen kann. Dies garantiert etwa die neue US-Regierung, die nun dem UN-Klimaschutzabkommen wieder beitreten möchte.
Zudem allerdings wird auch die Branche der E-Mobilitätsunternehmen nun weiter ausgebaut, heißt es. Joe Biden, der neue US-Präsident, gilt zwar als Verfechter und auch Vertreter der Verbrenner-Industrie – aber er wird nicht umhin können, sich den neuen Trends anzuschließen.
Allerdings ist auch die Öl-Industrie nicht untätig. So haben sich zuletzt vor etwa vier Wochen sieben Unternehmen aus Europa getroffen, um gemeinsam mit Occidental aus den USA eine Plattform für die Energiewende zu realisieren.
Die Unternehmen haben kundgetan, sie würden die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens teilen und wollten dazu beitragen, die Emissionen zu reduzieren. Die Voraussetzungen dafür sollen nun geschaffen werden.
Die „erneuerbaren Energien“ haben derzeit lediglich eine Rendite von 5 % bis 6 %. Dies reicht den Unternehmen in der Regel nicht. Diese verdienen an Öl- und Gasgeschäften etwa 15 %. Dennoch gäbe es Möglichkeiten, heißt es, die Rendite noch zu steigern.
Konkret sollte der Handel lukrativer werden. Zudem ginge es darum, die Aktivitäten stärker zu verzahnen, kurz gesagt: die Rentabilität der Produktion zu steigern oder neudeutsch: Synergien zu erzielen.
Erneuerbare Energien: Welche Chancen eröffnen sich?
Die Energieunternehmen (gemeint sind hier nach wie vor die großen Ölmultis) verdienen derzeit auch bezüglich des gesamten Umsatzes zu wenig in dem Bereich der Erneuerbaren Energien. Das Segment soll in den kommenden Jahren deutlich wachsen, heißt es. Ein Beispiel für die Aktivitäten:
Royal Dutch Shell möchte bis zum Jahr 2050 die Nettoemissionen seiner Produktion vollständig eliminieren. Ein emissionsfreier Energielieferant: Genau dies ist das Ziel der diversen Klimaschutzprojekte.
Das Unternehmen verfolgt darüber hinaus ein weiteres Ziel: Es möchte die Emissionen aus den Produkten, die an Kunden geliefert werden, um 65 % senken.
Dafür sollen den Kunden verstärkt Produkte angedient werden, die etwa Strom aus erneuerbaren Energien beinhalten, Biokraftstoffe darstellen oder auch schlicht Wasserstoff sind. Royal Dutch Shell plant dabei, zusammen mit großen Konzernen wie Daimler einen Massenmarkt für Wasserstoff-LKWs in der EU wenn nicht zu schaffen, dann doch zumindest zu begünstigen.
Dafür möchte der Vorstandsvorsitzende Bernard Looney die Investitionen des Unternehmens in emissionsarme Technologien bis zum Jahr 2030 um den Faktor 10 steigern. Statt bis dato 0,5 Milliarden Dollar sollen 5 Milliarden Dollar investiert werden.
Bis 2030 soll Royal Dutch zudem in der Lage sein, 50 Gigawatt an erneuerbaren Energien herzustellen. Dies wäre eine Steigerung um den Faktor 20. Auch der Sektor Bioenergie soll um den Faktor 4,5 vergrößert werden.
Im Umkehrschluss wird Royal Dutch Shell diesem Plan nach 40 % weniger Öl und Gas abbauen als bislang. Mit anderen Worten: Aus dem einstigen Ölmulti wird dann ein Energiemulti.
Wie stark ist Royal Dutch Shell langfristig?
Dieskönnte nach Meinung von Analysten dazu führen, dass das Unternehmen noch attraktiver wird als ohnehin schon. Derzeit ist der Unternehmenswert zu stark abhängig davon, wie sich der Ölpreis entwickelt.
Dies wurde im Jahr 2020 sichtbar, als der Aktienkurs in sich zusammenfiel, nachdem der Ölpreis coronabedingt stark nachgab. Zudem musste Royal Dutch Shell zum ersten Mal seit vielen Jahren die Dividende streichen.
Nun scheint wieder etwas mehr Normalbetrieb zu herrschen, so zumindest der Eindruck zu der Aktie. Das Unternehmen weist bereits wieder ein vergleichsweise niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) in Höhe von 13 bis 13,5 auf. Die Zahlen lassen sich etwas genauer einstellen, wenn die ersten Quartalsergebnisse für das vergangene Jahr präsentiert werden.
Dennoch rechnen Analysten jetzt bereits wieder mit einer Dividendenrendite in Höhe von immerhin 3,3 %. Dies ist im Vergleich zu anderen Konzernen der Industrie wie etwa BP mit 5,2 % noch relativ niedrig. Allerdings hat Royal Dutch Shell – mit der Ausnahme 2020 – die Dividende kontinuierlich gesteigert.
Sie können also damit rechnen, dass die Dividenden langfristig bezogen auf Ihren Einstiegskurs noch weiter steigen. Aus diesen Überlegungen lässt sich noch nicht zwingend ein Kursziel ableiten.
Dennoch sind die Chancen auf deutlich höhere Kurse sowohl kurz- wie auch mittel- und langfristig vergleichsweise groß. Gerade die Verpflichtung auf eine langfristig neue Strategie hinsichtlich des Energiemixes sollte hier für gute Aussichten sorgen.
Royal Dutch Shell, ISIN: GB00B03MLX29
Quelle: www.onvista.de, eigene Bearbeitung
Die Aktie steht allerdings nicht alleine als Modernisier. So möchte auch das französische Unternehmen Total sich im Energiemix ändern. Die Franzosen haben vor, bis zum Jahr 2030 das Produktionsvolumen an Energie um 30 % zu steigern. Die Hälfte davon soll durch Flüssiggas bereit gestellt werden, die andere Hälfte durch Strom.
Der Strom wiederum kann und soll durch erneuerbare Energien hergestellt werden. Die Investitionen in diesen Sektor sollen demnach in den kommenden Jahren steigen und letztlich 20 % gesamten Investitionsvolumens einnehmen.
Die Kapazität an Erneuerbaren Energien soll bis zum Jahr 2025 auf 35 Gigawatt steigen. Umgekehrt möchte das Unternehmen den Absatz an Ölprodukten drastisch senken: Annähernd 30 % weniger sollen schließlich verkauft werden.
Ein besonderer Vorteil von Total ist die dividendenfreundliche Politik: Trotz der Ereignisse im Corona-Jahr 2020 hat der französische Konzern seine Dividende nicht gekürzt und stand damit allein auf weiter Flur unter den betreffenden Unternehmen. Dies ist durchaus ein gutes Zeichen.
Aktuell können Sie von einer Dividendenrendite in Höhe von 7,3 % ausgehen. Dies wiederum ist unter den Unternehmen der Branche der Spitzenwert. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) beläuft sich auf lediglich 12,5. Dies ist wiederum der niedrigste Wert der gesamten Branche.
Das Unternehmen hat derzeit nach Schätzung von Analysten ein – zusätzliches – Kurspotenzial in Höhe von etwa 20 %. Damit ist das Investment möglicherweise – bezogen auf den Kurs – etwas weniger ambitioniert als Royal Dutch Shell. Die Dividende allerdings ist nachweislich aktuell sogar attraktiver. Womöglich ist es am interessantesten, aus beiden Aktien einen Mix zu konstruieren. Wenn sich abzeichnet, dass ein Wert deutlich weniger stark sein wird als der andere, können Sie wechseln.
Mit freundlichen Grüßen