Liebe Leser,
in den vergangenen Tagen und eigentlich auch in den zurückliegenden Wochen begeisterte ein besonderer Wert die Analysten und Investoren: Der Möbelkonzern Steinhoff machte von sich Reden. Die Aktie geht seit kurzem regelrecht durch die Decke. Zeit, um einzusteigen?
Steinhoff: Stark
Das Unternehmen schaffte zuletzt in nur vier Wochen einen Aufschlag in Höhe von 45 %. Dies ist angesichts der permanenten Krisenberichterstattung erstaunlich. Zum Hintergrund:
Steinhoff ist ein Unternehmen aus der Möbelbranche, ein Händler, der für Schlagzeilen sorgte. Das Unternehmen ist an sich kein kleiner Nebenwert, sondern erstaunlich groß. Noch 2016 wurden über die internationalen Marken und Töchter gut 110.000 Mitarbeiter geführt. Das Unternehmen ist seit 1998 an der Börse in Johannesburg, Südafrika, notiert. Die Konzernleitung übernahm zudem in Australien, in Afrika und in Großbritannien weitere Konzerne und Unternehmen. Damit ist zunächst eine Erfolgsstory begonnen worden.
2015 dann ging Steinhoff auch an die Frankfurter Börse – mit einem sogenannten Erstlisting – oder wollte dieses Manöver beginnen. Dies war der Beginn einer größeren Leidens- und Skandalgeschichte. Denn Steinhoff wurde kurz vor dem Tausch von Aktien (Johannesburg / Frankfurt) von den Behörden aufgesucht. Es gab eine Razzia von Steuerfahndern der Behörden in Oldenburg.
Am 4. März 2016 dann hat die Deutsche Börsen (dennoch) entschieden, die nun in Frankfurt gelistete Unternehmung im MDax für die Mittelstandswerte aufzunehmen. Vier Jahre später ging es für Steinhoff nach einem heftigen Kurssturz in den SDax, also die kleinere Variante, in der Steinhoff sich jedoch nur bis zum 21.9. 2020 halten konnte.
Noch 2016 gab es zahlreiche weitere Übernahmen durch Steinhoff bzw. entsprechende Vorhaben. Diese Praxis dann wurde 2017 praktisch beendet. Am 5. Dezember 2017 ereilte die Börsen die Nachricht, Steinhoff habe Bilanzunregelmäßigkeiten. Der damalige CEO Markus Jooste kündigte eine erklärende Präsentation an. Allerdings versandte er alternativ ein E-Mail an Kollegen. Darin hieß es, „ein paar große Fehler begangen und vielen unschuldigen Menschen finanzielle Verluste zugefügt“ zu haben.
Eine solche Aussage ist für ein börsennotiertes Unternehmen ein Fallbeil. Jooste verschwand von der Bildfläche. Das Desaster allerdings nahm seinen Lauf, zumal die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte zuvor kein Testat für die Bilanz gewährt hatte.
Am nächsten Börsentag ging der Aktienkurs von Steinhoff mit einem Minus von 60% regelrecht baden. In derselben Handelswoche fiel die Notierung sogar auf bis zu 35 Cent und mutierte damit praktisch zu einem Pennystock.
Am 21. Dezember dann standen insgesamt Verluste in Höhe von mehr als 90 % des „ursprünglichen Wertes“ zu Buche. An den Börsen notierte der Wert insgesamt mit einer Marktkapitalisierung in Höhe von 1,144 Milliarden Euro. Heute ist das Unternehmen noch weniger als die Hälfte wert.
Auch in Deutschland kam es zu Ermittlungen. Anfang 2018 hat die Bafin wie auch die Staatsanwaltschaft Oldenburg die Ermittlungen zu den Vorgängen aufgenommen.
Dementsprechend gibt es zahlreiche Geschädigte, die das Unternehmen mit seinen Bilanzaktivitäten getäuscht hatte. 3,5 Jahre später ist der Fall noch immer nicht abgeschlossen. In Zahlen zeigte sich das Dilemma etwa 2017 mit einem operativen Verlust in Höhe von 3,7 Milliarden Euro sowie 2018 mit dem operativen Verlust in Höhe von 1,2 Milliarden Euro.
Die Gläubiger und auch die Kläger haben über Jahre versucht, Forderungen durchzusetzen. Im Falle der Nichteinigung droht(e) stets die Insolvenz des Konzerns, was wiederum die Aktie selbst von den Kurszetteln der Börsen hätte verschwinden lassen.
Im Juli 2020 dann hat Steinhoff International versucht, die Kläger mit 850 Millionen Euro zu entschädigen.
Im Grunde bleibt bis heute offen, ob am Ende die große Einigung stehen wird. Dennoch gibt es nun nach zahllosen Angeboten sowie auch einigen Verkäufen, die Geld in die Kassenbrachten, etwas Licht am Ende des Horizonts. Zumindest deuten die jüngsten Berichte auf eine solche mögliche Lösung des Problems hin.
Steinhoff: Desaster zeigt sich im 5-Jahres-Chart
Quelle: onvista.de, eigene Bearbeitung
Neue Zahlen von Steinhoff
Steinhoff hat nun am vergangenen Freitag neue Zahlen vorgelegt. Diese betreffen das Geschäftsjahr 2020/2021 und darin die ersten neun Monate. Noch ist das Zahlenwerk ungeprüft, so dass die Implikationen daraus mit Vorsicht zu genießen sind. Dennoch lassen sich relativ gute Rückschlüsse zur Situation von Steinhoff ziehen.
Konkret hat das Unternehmen über die gesamte Gruppe offenbar ein Umsatzsteigerung in Höhe von 15 % realisieren können. Der Umsatz belieft sich auf 6,81 Milliarden Euro und kam von 5,91 Milliarden Euro. Dies führen Beobachter, Analysten und sicher auch das Unternehmen auf die „Entspannung“ der Corona-Pandemie.
Die Käufer haben sich im Möbelgeschäft zumindest aktiver gezeigt, als dies vor Monaten noch zu vermuten gewesen wäre. Dies haben auch andere Möbel-Unternehmen so erlebt. Fraglich erscheint allerdings schon im Sommer 2021, ob dies ein temporärer Nachholeffekt gewesen ist oder ob die Branche dauerhaft von einer sinkenden Sparquote der Haushalte in den westlichen Ländern profitieren können.
Immerhin aber setzt das Unternehmen auch auf „fortschreitende Impfkampagnen“ und darauf basierend tatsächlich einem größeren Konsumgeschehen als bis dato. Zu den Einzelgesellschaften:
- Greenlit Brands hat den Umsatz um 28% steigern können. Dies gilt als starkes Zwischenergebnis.
- Die Pepco Group, die schon im Jahr 2020 an der Börse hätte verkauft werden sollen – bis es wegen der Corona-Pandemie dort zu massiven Schwierigkeiten kam -, hat den Umsatz um 16 % auf 3,04 Milliarden Euro steigern können.
- Die südafrikanische Pepkor Africa konnte den Umsatz um 12 % anheben und gleichfalls 3,01 Milliarden Euro Umsatz erzielen.
- Die Mattress Firm aus den USA – eine 50%-Beteiligung von Steinhoff – hat eine Steigerung von 2,04 Milliarden Euro Umsatz auf 2,63 Milliarden Euro vermelden können.
Bezogen auf die Präsentation nun steht allerdings ein anderes Ereignis im Vordergrund. Steinhoff wird in wenigen Tagen einen wichtigen Termin bewältigen müssen: Am 3. September kommt es zu einer Versammlung in den Niederlanden. Am 6. September wiederum findet eine Versammlung in Südafrika statt. Dabei geht es jeweils um den Vergleichsvorschlag des Unternehmens, der inzwischen insgesamt über 1,4 Milliarden Euro umfasst. Kommt es dort zu einem negativen Ergebnis, kann dies die Stimmung nachhaltig in eine entsprechende Richtung beeinflussen wie umgekehrt eine Abstimmung, bei der ein positives Ergebnis erzielt wird. Demzufolge dürfte die Börse entsprechend auf das Ende dieser Woche wie auch auf den Anfang der kommenden Woche achten.
Die Börse ist gespannt
Es ist also zu konstatieren, dass die Börse gespannt ist. Dennoch scheinen sich die Kräfte durchzusetzen, die von einem starken Aufwärtstrend ausgehen und offenbar auch einen positiven Verlauf in der Abwicklung des Bilanzskandals für möglich halten. Konkret:
- Der Kurs von Steinhoff ist in den vergangenen Handelstagen noch einmal kräftig nach oben geklettert. Das spricht für einen deutlichen Aufwärtstrend, mit dem nicht mehr allzu viele Investoren und Analysten gerechnet haben dürften.
- Die Aktie ist allein in der zurückliegenden Woche um insgesamt 13,75 % nach oben geklettert. Dies ist einer der stärksten Wochengewinne der vergangenen Jahre gewesen.
- Allein am Freitag vor dem Wochenende ging es um 3,85 % aufwärts. Ein Meilenstein, denn die Börsen wissen, dass die Verhandlungen um den Vergleich nun in eine weitere entscheidende Runde gehen werden.
- In den zurückliegenden vier Wochen gewann der Titel sogar 44,59 %. Dies ist wiederum einer der stärksten Wochengewinne der zurückliegenden Jahre gewesen und ein klares Bekenntnis zu einer positiven Entwicklung.
- In den vergangenen 12 Monaten schließlich konnte die Aktie von Steinhoff sogar einen Aufschlag in Höhe von 171 % für sich verbuchen. Es gab Zeiten, in denen die Aktie auf weniger als 5 Cent abrutschte. Nun sind Kurse von über 13 Cent zu verzeichnen. Die Erholung zeigt sich auch in der Bilanz der vergangenen drei Jahre.
- Der Aktienkurs konnte im Zeitraum von drei Jahren nun wieder die Nulllinie erreichen. Ein Umstand, mit dem wohl niemand mehr gerechnet hätte.
- Es bleibt allerdings der Abschlag gegenüber der Zeit vor Aufdeckung des Bilanzskandals. Die Aktie konnte in den vergangenen fünf Jahren das Niveau nicht halten und verlor insgesamt 97,64 % – das ist ein klares Statement der Aktienbörsen, so die Analysten in der Langfristbetrachtung.
Charttechnisch betrachtet hat das Unternehmen damit dennoch alle Möglichkeiten, zumindest die nächsten Mehrjahreshochs bei 15 Cent zu überwinden. Der Titel könnte dann darauf verweisen, dass bis zu 20 Cent keine weiteren Hürden mehr in Sicht sind. Die Aktie befindet sich aus charttechnischer Sicht ohnehin im klaren Hausse-Modus.
Durch die jüngsten Kursgewinne konnte der Titel nach unten Unterstützungen aufbauen. Diese sind spätestens bei 10 Cent mittlerweile sehr aktiv und massiv. Daher ist der Sprung bis zu 20 Cent aus dieser Sicht keine sonderlich übertriebene Vorstellung.
Die Analyse wird gestützt durch die Expertise der technischen Analysten. Diese gehen gleichfalls von einem starken und nachhaltigen Aufwärtstrend für das Unternehmen aus.
Technische Analyse: Die Vorzeichen sind sehr gut
Der Titel lässt sich unter anderem anhand der gleitenden Durchschnittskurse einordnen. Dabei ist der GD200 über die vergangenen 200 Tage die aussagekräftigste Linie.
Der GD200 notiert bei 0,09 Euro und ist damit aktuell um mehr als 40 % überwunden. Dies gilt als sehr gutes Zeichen. Der GD100 als mittelfristiges Trendsignal verläuft in Höhe von 11 Cent. Auch dieser Indikator ist um über 10 % überwunden worden, was eine weitere Argumentationshilfe aus Sicht der technischen Analyse darstellt. Der Titel ist im Hausse-Modus.
Dies wird letztlich auch durch Blick auf den GD38 bestätigt. Die kurzfristige Trendanalyse zeigt, dass der GD38 bei 10 Cent klar überwunden ist.
Letztlich bleibt damit alles im grünen Bereich. Aus der Perspektive der technischen Analyse ist der Titel auch bezüglich des Momentums sowie der Relativen Stärke in verschiedenen zeitlichen Dimensionen klar im Hausse-Modus.
Fazit: Es sieht sehr gut aus – steigende Kurse wären wahrscheinlich. Der 3. und der 6. September sind jedoch noch immer zu beobachten.