BioNTech unter „Druck“ – dennoch stark

Liebe Leser,

„kaufen“ bei schlechten Nachrichten – wer kennt die alte Devise an den Börsen noch? Die Börsen selbst jedenfalls scheinen sich an ihre eigenen Weisheiten nicht mehr zu erinnern. Die Aktie von BioNTech gab im heutigen Handel um fast 4 % nach. Dies geschah auf Basis von Nachrichten, die vermeintlich die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen die neuen Varianten des Corona-Virus in Frage stellen.

Vermeintlich schwach

Die Daten kamen aus Israel und sind noch nicht wissenschaftlich überprüft. Der Schutz gegen die Delta-Variante würde nur zu 64 % funktionieren, heißt es da. Die Zahl, von der die Menschen bis dato ausgehen, liegt bei etwa 95 %. Alles aus für den Impfstoff?

Wohl kaum. Auch ohne pharmazeutische Kenntnisse können Sie sich auf eine andere Zahl stützen, wenn es um den Impfstoff geht. Zu 93 % soll der Impfstoff auch bei der Delta-Variante gegen einen schweren Verlauf nach einer Infektion mit dem Delta-mutierten Virus schützen. Das heißt, von 10 Infizierten würde weniger als ein Mensch einen schwereren Verlauf erleben.

Auch diese Zahl lässt allerdings noch rätseln, nicht jedoch die aufgebrachte Analysten-Welt. Denn auch hier ist die Interpretation der Zahl schwierig. Sind 93 % der Menschen, die sich überhaupt infizieren, aber geimpft sind, weniger als bei den Infizierten, die ungeimpft sind, mit einem schweren Verlauf konfrontiert? Oder sind tatsächlich 93 % aller Infizierten vor dem schweren Verlauf geschützt?

Dann wäre noch die Frage, wie viele Menschen denn von den Ungeimpften auch nicht schwer erkranken. Die Fragen zeigen zeigen allerdings, dass die Berichte unvollständig sind. Es mag eine etwas schwächere Wirkung geben – dennoch ist der Impfstoff derzeit unerlässlich im Kampf gegen die Pandemie, wenn er denn vorher auch als unerlässlich galt. Wenn der Impfstoff verabreicht wurde, um die Pandemie einzugrenzen, gibt es auch bei etwas schwächerer Wirkung noch keine Alternative.

Aus rein wirtschaftlicher Sicht also hat sich genau nichts verändert. Die meisten Regierungen, die auf dem westlichen Markt agieren, werden genau diesen Impfstoff kaufen wollen, wenn sie es sich leisten können. Der Impfstoff ist teurer als der von AstraZeneca – insofern gibt es Regierungen, die auf AstraZeneca setzen. Auch die werden ihre Entscheidung nicht einfach revidieren.

Wer noch glaubt, die künftige Kursentwicklung oder der Unternehmenswert hinge daran, wie sich die Wirksamkeit – leicht – verändert (nach oben oder unten), übersieht, dass es hier ausschließlich auf die Bestellmengen ankommt. Da es keine Alternativen zu BioNTech gibt, die jetzt plötzlich eine bessere Ausgangsposition hätten, ändert sich nichts.

Der Abschlag hat also keinen (!) wirtschaftlichen Hintergrund, sondern ist psychologischer Natur. Es gibt Investoren, die nach solchen Gelegenheiten suchen. BioNTech ist im klaren Aufwärtstrend und hat einen Vorsprung von mehr als 30 % auf den technischen Indikator GD200. Die Aktie ist nur etwas günstiger geworden – aus unerfindlichen Gründen.

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