Liebe Leser,
der Ukraine-Krieg wütet weiter, die Auswirkungen auf die Finanzmärkte werden immer bizarrer. Sie sehen aktuell – am heutigen Montag -, dass die Preise am Ölmarkt sich reduzieren. Gleichzeitig legen die Aktienmärkte massiv zu. Dies deutet darauf, dass die Börsen nicht ein noch aus wissen. Der rote Faden in der Einschätzung fehlt. Sie sollten sich die Situation genau vergegenwärtigen.
Krieg und Börse: Nicht das Grundproblem
Das aktuelle Grundproblem ist nicht der Krieg in der Ukraine. Der ist menschlich und politisch unfassbar gravierend, aber nicht für die Finanzmärkte. Die fragen sich nicht danach, ob die Börsen zusammenbrechen würden. Die Finanzmärkte untersuchen auch nicht die Frage, ob die Kurse direkt zusammenbrechen werden, weil eine Ausweitung des Kriegs gegen die NATO bevorstehen könnte.
Die Börsen kümmern sich nur um die wirtschaftlichen Aussichten der Unternehmen insgesamt. Der Angriffskrieg hat zunächst für Verwirrung und Ängste gesorgt, ist jetzt aber schon wieder zumindest zurückgedrängt. So sehen sich die Börsen die Entwicklung der Energiepreise wesentlich lieber an.
Gas, Kohle und Öl – das ist wichtig
Am Beispiel Deutschlands sei dies kurz verdeutlicht. Gas, Kohle und Öl bezieht dieses Land zu großen Teilen aus Russland. Der Anteil steigt je nach Energieart – bezogen auf die Lieferungen aus dem Ausland selbst – auf bis zu 50 %. Zusätzlich verfügt Russland über die Eigentumsrechte an 25 % der Gasspeicherkapazitäten in Deutschland.
Vor diesem Hintergrund haben die Börsen „Angst“, dass der Energiemarkt Russland durch Sanktionen aus Deutschland oder der EU an den Rand gedrängt werden könnte oder Russland nicht exportiert. Sobald Deutschland diese Energie nicht mehr bezieht, wird es teuer.
Die Unternehmen müssten damit leben, möglicherweise generell weniger Energie als vorher zu erhalten. Die Konzerne müssten auf jeden Fall aber einkalkulieren, dass die Energie teurer würde, sogar sehr viel teurer.
Diese beiden Ängste haben die Börsen in den vergangenen Wochen zittern lassen. Umgekehrt setzen die Finanzmärkte nun ganz offensichtlich auf eine Einigung der Russlands mit der Ukraine – „Einigung“ meint hier eine verhandlerische Lösung des Krieges. Die Delegationen treffen sich nun an diesem Montag bereits zum vierten Male und es soll insgesamt einen Fortschritt zwischen den Parteien geben, hieß es im Vorfeld.
Den Börsen scheinen die konkreten Verhandlungsschritte und -ergebnisse wahrscheinlich gleich zu sein, es wird in erster Linie um die Energie gehen.
Kurse klettern – aber wie lange?
Hier gilt es für Sie, auch politisch kurz innezuhalten. Wie wahrscheinlich ist es aus Ihrer Sicht, dass es tatsächlich zu einer Verhandlungslösung kommt? Wie wahrscheinlich ist es, dass China sich aus dem Konflikt weitgehend heraushält und Russland nicht zur Seite springt, wie Russland es verlangte. Wie sieht überhaupt das Ausstiegsszenario für die Parteien aus?
Alle Fragen sind vollkommen unbeantwortet. Daher bietet es sich nicht an, auf einen friedlichen Ausgang der Gespräche zu setzen.
Das wiederum lenkt den Blick auf den Ölpreis, den Gaspreis oder auch die Kosten der Kohle-Importe. Bundesfinanzminister Christian Lindner möchte am liebsten einen Tank-Rabatt durchsetzen, der etwa die Benzinpreise an der Tankstelle um 20 Cent reduzieren könnte. Das ist sicherlich nett gemeint und wahrscheinlich auch dem Wahlkampf in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Saarland oder Schleswig-Holstein geschuldet.
Nur hilft ein solcher Rabatt den Unternehmen nicht, wenn die Energiepreise tatsächlich auf hohem Niveau bleiben. Die Reduktion an den Tankstellen würde etwa 10 % bringen, ausgehend aber von Energiepreisen, die schon deutlich zu schnell auf ein zu hohes Niveau gesprungen sind.
Kalkulieren Sie mit Schwankungen
Daher ist und bleibt es für Sie wichtig, an den Aktienmärkten in beide Richtungen zu denken. Die Schwankungen werden auch zu sinkenden Kursen führen, wenn die Verhandlungen nicht so gut laufen wie erhofft und die Ölpreise wieder steigen können.
Ungewöhnlich starker Rutsch in den vergangenen Tagen – Ölpreis kaum zu kalkulieren
Quelle: onvista.de, eigene Bearbeitung
Demgegenüber sind die Ölpreise allerdings in den vergangenen Monaten ohnehin tendenziell deutlich gestiegen. In drei Monaten ging es um 54 % aufwärts. In sechs Monaten gewann der Ölpreis im Grunde ähnlich stark, in zwölf Monaten allerdings insgesamt 67 %.
Es gibt ohnehin eine Tendenz zu steigende Ölpreisen, so lautet die Botschaft. Wenn der Krieg dazu führt, dass die Preise wieder drehen und es zu schnell wachsenden Niveaus kommt, wird es erneut kritisch für die Börsen.
Sie sollten sich nicht von den kurzfristigen Erholungen bremsen lassen und umgekehrt bei schwachen Entwicklungen nicht sofort verzweifeln. Es hängt an den politischen Verhandlungen und dann am Ölpreis. Wenn Sie diese Entwicklung beobachten und auch langfristig begleiten, haben Sie den besten Faden für die Börsenentwicklung in der Hand.
Selbstverständlich können Sie analog dazu auch bereits investieren. Die Öl-Gesellschaften funktionieren bei hohen Ölpreisen bestens. Shell zählt zu den starken Unternehmen ebenso wie etwa BP oder auch die Exxon Mobile. Dies sind durchgehend sogenannte Dickschiffe, bei denen Sie zusätzlich eine Dividendenrendite in Höhe von 4 % und mehr für sich vereinnahmen können. Wenn die Ölpreise wieder deutlich fallen sollten, wird es sicherlich Zeit, zumindest mit Stop-Loss-Limits zu arbeiten. Auch hier gilt: Beobachten Sie die Verhandlungen und vor allem die jeweils dazu passenden Ölpreise.